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Interview mit Joanna Phillips – RED Restaurierungszentrum Düsseldorf

In der Kunst wird das Werk nicht nur durch den kreativen Prozess des Künstlers definiert, sondern auch durch die Pflege und Bewahrung, die es über die Zeit erhält. Besonders bei modernen und zeitgenössischen Kunstwerken, die oft mit neuen Materialien und unkonventionellen Techniken arbeiten, ist die Restaurierung eine Herausforderung, die sowohl Fachwissen als auch innovative Herangehensweisen erfordert.

Im Gespräch mit der Direktorin des RED – Restaurierungszentrums Düsseldorf werfen wir einen Blick hinter die Kulissen dieser oft unsichtbaren, aber unverzichtbaren Arbeit. Wie wird Kunst im Zeitalter von neuen Medien und experimentellen Materialien konserviert? Welche speziellen Herausforderungen stellen sich bei der Restaurierung von Kunstwerken, die mit Technologien oder vergänglichen Materialien arbeiten? Und wie gehen Fachleute mit der Balance zwischen Erhalt und dem Respekt vor der künstlerischen Vision um?

Joanna Phillips, Direktorin RED - Restaurierungszentrum Düsseldorf

Sie sind 2019 vom New Yorker Guggenheim Museum nach Düsseldorf gewechselt, um die Direktion des RED – Restaurierungszentrum Düsseldorf zu übernehmen. Was ist so besonders am RED, und was leistet das Zentrum für die Kunst in Düsseldorf?

Das RED ist in Deutschland einzigartig: wir sind das zentrale Kompetenzzentrum für die Erhaltung der Düsseldorfer Sammlungen. Normalerweise geschieht Restaurierung vor Ort in kleinen Museumsabteilungen. In Düsseldorf haben wir aber seit fast 50 Jahren unsere zentralen RED-Labore und -Werkstätten. Hier arbeitet ein interdisziplinäres Team aus Spezialist:innen zusammen, um die Sammlungen aller 12 Museen, Archive und Ausstellungshäuser der Stadt konservatorisch und restauratorisch zu betreuen. Insgesamt sind das über 3.5 Millionen Objekte aus 3000 Jahren Kunst- und Kulturgeschichte. Um dieser enormen Materialvielfalt gerecht zu werden, haben wir sieben spezialisierte Fachbereiche eingerichtet: Gemälde und zeitgenössische Kunst, Fotografie, Papier, Medienkunst, Angewandte Kunst, Holz und moderne Materialien, und Keramik. Wenn Sie also in Düsseldorf eine Ausstellung besuchen, z.B. im Kunstpalast, Stadtmuseum oder Hetjensmuseum, dann sind viele der Exponate, die Sie bewundern, vorher hier in unseren RED-Laboren untersucht, restauriert und ausstellungsfähig gemacht worden.

RED - Restaurierungszentrum Düsseldorf. Photo: Markus Luigs.

Ende 2023 wurde das RED nach mehrjähriger Kernsanierung neu eröffnet. Was hat sich verändert?

Das RED ist im Düsseldorfer Ehrenhof im gleichen historischen Gebäude wie der Kunstpalast untergebracht, und nach bald 100 Jahren war das Gebäude ziemlich baufällig geworden. Deshalb haben wir von 2020 bis 2023 – parallel zur Sanierung des Kunstpalasts – auch unsere traditionsreichen Werkstätten kernsaniert und neu ausgestattet. Unsere Infrastruktur ist jetzt state-of-the-art, und ich hätte mich in meinen 10 Jahren am Guggenheim Museum gefreut, in so modernen Laboren arbeiten zu können! Mit der Sanierung ist auch der Fachbereich Medienkunstrestaurierung neu dazugekommen. Das ist die jüngste Spezialisierung innerhalb der Konservierungswissenschaften, die in Deutschland immer noch sehr rar ist. Zukünftig möchten wir auch unsere Vermittlungsarbeit ausbauen und mehr Teilhabe an unserer Beschäftigung mit dem Düsseldorfer Kulturerbe erzeugen.

Restaurieren Sie am RED neben Medienkunst auch andere Formen moderner und zeitgenössischer Kunst? Wie machen Sie das?

Absolut. Gerade bei der Erhaltung zeitgenössischer Kunst profitieren wir hier natürlich von der Vielfältigkeit der Expertise am RED. Wir können hier für ungewöhnliche Materialkombinationen, vergängliche Kunststoffe, obsolete Medientechnologien oder wandelbare Installationen an einem Ort Erhaltungskonzepte entwickeln, die auf das Wissen verschiedener Spezialisierungsrichtungen angewiesen sind. Wir unterstützen die betreuten Sammlungen auch darin, beim Ankauf neuer zeitgenössischer Werke die relevanten Informationen und Bestandteile – wie z.B. archivfähige Dateiformate bei Medienkunstwerken – in die Sammlung zu bringen. Das beinhaltet auch oft Interviews mit den Künstler:innen, die wir dann aufzeichnen gewissermaßen als historisches Referenzdokument für die Zukunft.

RED - Restaurierungszentrum Düsseldorf. Photo: Markus Luigs.

Am RED wird nicht nur restauriert, sondern sie untersuchen und beforschen auch Kunstwerke. Wie tun Sie das, und was kann man durch diese Untersuchungen erfahren? 

Wenn wir mehr wissen möchten über die künstlerische Entstehung oder materielle  Zusammensetzung von Kunstwerken, aber auch zu ihrer Datierung, Herkunft (Provenienz) oder manchmal zu ihrer Echtheit, dann stehen uns hier verschiedene Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Mit der UV-Untersuchung können wir z.B. alte Restaurierungen erkennen. Mit Infrarotreflektografie und Röntgen können wir Malereien und Werkstoffe durchdringen und verborgene Schichten und Konstruktionen sichtbar machen, die mit dem bloßen Auge nicht erkennbar sind. Und mit Multispektral- und Röntgenfluoreszenz-Untersuchungen können wir Informationen zu den verwendeten Pigmenten und Füllstoffen generieren. Je nach Fragestellung kombinieren wir in der Regel mehrere dieser Untersuchungsmethoden

Betreut das RED nur die Düsseldorfer Sammlungen, oder können Galerien und private Sammler:innen auch mit beschädigter Kunst zu Ihnen kommen?

Unsere Hauptaufgabe ist die Betreuung der Düsseldorfer Sammlungen, aber wir beraten, untersuchen und restaurieren auch immer wieder für private Sammler:innen, Künstlerstudios oder nichtstädtische Museen. Wir haben auch eine Stickstoffkammer zur Bekämpfung von Schädlingsbefall, die ununterbrochen in Betrieb ist und auch durch nichtstädtische Sammlungen im Umkreis genutzt wird.

RED - Restaurierungszentrum Düsseldorf. Photo: Oliver Tjaden.

Welche Herausforderungen sehen Sie in der Zukunft, und wie bereitet sich das RED darauf vor?

In meinen Augen ist die größte gesellschaftliche Herausforderung für die Kulturguterhaltung unser schwindender Zugang zu historischen Objekten. Vor allem unter jungen Menschen, die im immersiven Bildschirmzeitalter großwerden, ist die Materialität vordigitaler Gesellschaften immer schwerer nachvollziehbar. Damit schwindet auch die Wertschätzung für die Kunstfertigkeit oder Zeitzeugenschaft alter Objekte. Und unsere Arbeit am RED, und ihre Finanzierung, leitet sich direkt aus der Wertschätzung ab, die unsere Stadtgesellschaft für ihr Kulturerbe aufbringt. Deshalb finde ich es auch so wichtig, dass wir aus dem Backstage des Kulturbetriebs hervortreten und unsere Arbeit sichtbarer machen. In den nächsten Jahren möchte ich am RED ein ganzes Programm für Vermittlung und Teilhabe entwickeln.

Wie kann man Restaurator:in werden, bildet das RED auch aus?

Restaurator:in wird man durch ein Master-Studium der Konservierungswissenschaften. Studiengänge gibt es z.B. an der TH Köln, an der Staatlichen Akademie Stuttgart oder an der Kunsthochschule in Dresden. Aber auch die Praxis am Objekt spielt eine große Rolle für die Ausbildung. Deshalb sind studienvorbereitende und –begleitende Praktika integraler Bestandteil unserer Ausbildung. Und diese Praktika bieten wir am RED an, genauso wie wissenschaftliche Volontariate als Berufsstart für die Hochschulabsolvent:innen.

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