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Ingvild Goetz über ihre Sammlung und die nächste Sammler*innen-Generation

Image credit: Ingvild Goetz in front of a painting by Jannis Kounellis (1961), 2004. Photo: Philippe Chancel.

Was bewegt Menschen dazu, Kunst zu sammeln? Und welche Wege führen sie dorthin? In unserer Reihe Private View: Gespräche mit Sammler*innen erzählen Kunstsammler*innen von den persönlichen Geschichten hinter ihren Sammlungen: Was hat ihr Kunstinteresse geweckt? Welche Werke begleiten sie bis heute? Und wie prägen Künstler*innen, Gesellschaft und Leben ihre Sammlung?

In diesem Interview haben wir mit Ingvild Goetz über die Anfänge ihrer Sammlung, ihre Leidenschaft für die Videokunst und ihren Rat an die nächste Sammler*innen-Generation gesprochen.

Wie kam es zu Ihrem allerersten Kunstkauf – erinnern Sie sich noch an Werk, Ort und Moment?
Mein erstes Kunstwerk habe ich 1969 in der Galerie der Künstlerin Ulrike Ottinger in Konstanz erworben. Es war eine Grafikmappe von Eduardo Paolozzi.

Sie gelten als Pionierin der Videokunst-Sammlung. Was zog Sie schon früh zu diesem damals jungen Medium?
Die Frühzeit der Videokunst habe ich mit Interesse verfolgt, konnte mich aber noch nicht wirklich dafür begeistern. Das änderte sich erst später durch neue technologische Entwicklungen des Mediums. Diese ermöglichten Künstler*innen Mehrfachprojektionen und großformatige Installationen, die einen emotional berühren und in die man eintauchen kann.

Welche Rolle spielte Ihre Zeit als Galeristin für Ihren Blick auf Kunstwerke und Künstlerkarrieren?
Durch meine Zeit als Galeristin kenne ich diese Perspektive auf den Kunstmarkt aus eigener Erfahrung. Deshalb lasse ich mich heute als Sammlerin von den Tricks und Verkaufsgesprächen der Galerien nicht beeindrucken – schließlich habe ich sie selbst angewandt. Durch die Ausstellungen in meiner Galerie habe ich viele Künstler*innen schon sehr früh persönlich kennengelernt. Einige von ihnen sind auch heute noch in meiner Sammlung vertreten, etwa Jannis Kounellis, Giulio Paolini oder Mario Merz.

Image credit: Ingvild Goetz in front of a painting by Jannis Kounellis (1961), 2004. Photo: Philippe Chancel.

Ingvild Goetz vor einem Gemälde von Jannis Kounellis (1961), 2004. Foto: Philippe Chancel.

1993 eröffneten Sie in München-Oberföhring ein eigens erbautes Ausstellungshaus von Herzog & de Meuron. Was gab den Ausschlag, damals „öffentlich“ zu werden?
Das Ausstellungsgebäude war zunächst als Privathaus geplant, in dem ich meine wachsende Sammlung in größeren Zusammenhängen präsentieren wollte. Auf die Idee, sie auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, brachten mich Freunde. Seit der Eröffnung 1993 zeigte ich dort kuratierte Wechselausstellungen aus meinem Sammlungsbestand – stets bei freiem Eintritt.
2014 schenkte ich einen Teil der Sammlung und das Museum dem Freistaat Bayern und stellte die übrigen Werke als Dauerleihgabe zur Verfügung. Die Sammlung Goetz wird nun als staatliche Kulturinstitution weitergeführt.

Gibt es eine Kooperation oder ein Ausstellungsprojekt, das Sie schon lange realisieren möchten, das bisher aber nicht möglich war?
Es gibt viele Ideen und Konzepte, die sich aus dem reichen Bestand meiner Sammlung ergeben und die beizeiten umgesetzt werden.

Wo sehen Sie in den nächsten Jahren die größten Herausforderungen für private Sammlungen – Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Öffentlichkeit, Kosten …?
Herausforderungen für private Sammlungen sehe ich in der Preisvolatilität am Kunstmarkt, der Dominanz großer Galerien, den steigenden Lagerkosten sowie in der Frage der Weitergabe an die nächste Generation. Hier sollte man sich frühzeitig Gedanken machen. Großes Potenzial sehe ich im Bereich der Digitalisierung und KI. Sie hebt nicht nur die Verwaltung und Arbeit mit der Sammlung auf ein neues Niveau, sondern eröffnet auch Künstler*innen neue Möglichkeiten der künstlerischen Gestaltung (z. B. 3D, Virtual Reality, Augmented Reality) sowie der Distribution und Vervielfältigung ihrer Werke.

Welche Ratschläge geben Sie jemandem, der heute mit dem Sammeln beginnen möchte?
Kunst nicht als Wertanlage, sondern aus Leidenschaft sammeln.
Viel anschauen, Atelierbesuche einplanen und ein eigenes Konzept entwickeln.
Eine junge Galerie wählen und ihr Programm aufmerksam verfolgen.
Zunächst mit Papierarbeiten beginnen – dann sind eventuelle Fehlkäufe nicht so teuer.

Was wünschen Sie sich für die nächste Sammler*innen-Generation?
Ich würde mir wünschen, dass sich der Kunstmarkt für Gegenwartskunst beruhigt und die Preise für junge, interessante künstlerische Positionen nicht so schnell in die Höhe schießen. Dann könnte vielleicht eine jüngere Sammlergeneration nachwachsen, die Kunst nicht mit dem Ziel der Wertsteigerung verfolgt, sondern aus echtem Interesse. Es kann auch vorkommen, dass man beim Verkauf eines Kunstwerks deutlich weniger erhält, als man ursprünglich bezahlt hat.

Sammlung Goetz

Adresse
Oberföhringer Straße 103
D-81925 München
Tel. +49 (0)89 959 39 69-0
✉️ info@sammlung-goetz.de
🌐 www.sammlung-goetz.de
📷 Instagram: @sammlunggoetz

Hauptgebäude
Das Ausstellungsgebäude der Sammlung Goetz in München-Oberföhring ist aufgrund bevorstehender Sanierungsarbeiten vorübergehend für Besucher*innen geschlossen.

Schaufenster – Neuer Ausstellungsort (Eröffnung Anfang Dezember 2025)
Als Interimsspielort eröffnet die Sammlung Goetz einen neuen Ausstellungsraum in der Pacellistraße im Herzen Münchens. Er befindet sich in den Ladenarkaden der Neuen Maxburg von Sep Ruf und ist sowohl von der Straßenseite als auch vom Innenhof durch bodentiefe Schaufenster einsehbar.
Das „Schaufenster“ zeigt kuratierte Wechselausstellungen mit wichtigen künstlerischen Positionen aus dem Bestand der Sammlung, ergänzt durch digitale und analoge Vermittlungsformate für Erwachsene und Kinder. Der neue innerstädtische Raum versteht sich als Schaufenster, das die Sammlung Goetz auch während der Schließung des Stammhauses in Oberföhring für die Öffentlichkeit sichtbar macht.