Anne Küper wurde 2025 gemeinsam mit Alicja Schindler mit dem renommierten AICA-Preis für Junge Kunstkritik ausgezeichnet. Der mit 12.000 Euro dotierte Preis wurde von der hochkarätig besetzten Jury – bestehend aus den Kunstkritiker:innen Laszlo Glozer, Sophia Roxane Rohwetter und Ellen Wagner, der Kunsttheoretikerin Kerstin Stakemeier und der Schriftstellerin Ann Cotten – einstimmig und ausnahmsweise geteilt, um die Vielfalt aktueller Strömungen in der Kunstkritik zu würdigen. Die Jury hob bei Anne Küper ihre „sprachliche Gewandtheit” sowie das „Aufbrechen der Disziplinen” hervor. Ihre Texte beweisen, dass Kunstkritik besonders lebendig wird, wenn sie auf eigener verkörperter Erfahrung basiert und das Ringen um das Schreiben über Kunst thematisiert. Küper bewegt sich zwischen verschiedenen künstlerischen Welten. Ihre Texte erscheinen im Tagesspiegel, CARGO und Filmbulletin. Neben ihrer kritischen Arbeit ist sie als Regisseurin und Performerin tätig und forscht an der Ruhr-Universität Bochum zu intimen Beziehungen mit Chatbots. Wir sprachen mit Anne Küper über den Zustand der Kunstkritik, disziplinübergreifendes Arbeiten und ihre Faszination für das Böse.
Ich glaube, dass es die eine Kunstkritik nicht gibt und es sie vermutlich auch noch nie gegeben hat. Kritisches Denken und Schreiben findet an vielfältigen Orten statt – was dort passiert, kann ziemlich aufregend sein. Damit meine ich nicht, dass sich nicht dringend verändern muss, unter welchen Bedingungen freiberufliche Autor*innen arbeiten, oder wer es sich aufgrund dieser Bedingungen eigentlich leisten kann, kunstkritisch tätig zu sein. Aber ich merke doch eine gewisse Weigerung bei mir, die Frage nach der Standortbestimmung ausschließlich ausgehend von den stummen Zwängen ökonomischer Verhältnisse zu beantworten und mich ihnen damit wiederum selbst unterwerfen zu müssen, wie ich es häufiger in solchen Interviews beobachte, wenn es um „Kunstkritik heute“ gehen soll. Deswegen mag ich an dieser Stelle lieber für eine Vielfalt der Formen, für Experimentierfreude, Neugier und Vernetzung eintreten, die ich mir als Leserin durchaus mehr wünsche.
Das frage ich mich selbst des Öfteren, meine Antwort kann für den Moment also nur provisorisch bleiben: Ich würde annehmen, dass ich aufgrund meiner Arbeit in den performativen Künsten ein Verständnis für künstlerische Produktionsprozesse besitze. Auch das Schreiben ist so ein Prozess. Das bedeutet für mich kein bloßes Aufschreiben, wie ich eine Sache fand, sondern stellt eher eine Denkbewegung dar. Erst im Schreiben kann ich denken, mich bestimmten Inszenierungsentscheidungen nähern und mich zu ihnen verhalten, eben weil ich Formulierungen für sie finden muss. Dabei bin ich aber nicht allein. Schreiben ist ein immer wieder neuer, aufregender, kollektiver Prozess. Und damit ist das Schreiben dem vielleicht dann doch gar nicht so unähnlich, wie ich bisher im Theater gearbeitet habe.
Mich würde mehr interessieren, wie Sie die Frage nach der Lektüre beantworten würden, statt dass ich eine Erklärung zu meinem Schreiben liefere, die vermutlich gar nicht das treffen kann, was ich dort unternehme. Für mich geht es schon um das Kenntlichmachen der Bedingungen, unter denen ich schreibe, und dass ich es eben bin, die schreibt, mit diesem einen Körper, den ich habe. Aber lesen Sie doch meine Texte und melden Sie sich danach bei mir! Das fände ich toll.
Das Denken in Disziplinen finde ich nicht brauchbar. Ich schreibe über das, was mich interessiert. Das können Filme sein, Ausstellungen, Bücher, Lieder, Memes und mehr. All das als Aussagen über die Welt ernstzunehmen, die durchaus in verschiedene Richtungen drängen können, ohne sich gegenseitig auszuschließen, das versuche ich mit meinen Texten. Ich freue mich sehr über die Auszeichnung und kann mich bei der Jury nur von Herzen bedanken.
Mich beschäftigt das Böse in den letzten Wochen sehr. Genauer Satan. Die österreichische Performancekünstlerin und Choreografin Teresa Vittucci hat maßgeblich dazu beigetragen, weil ich ihre Performance SANE SATAN gesehen habe. Dort widmet sie sich der Figur des Teufels aus einer queeren, popkulturell informierten Perspektive. Sie feiert das Verführerische, das Unberechenbare, das Feuchte, das Tropfende, das Anderssein. Durch Vittucci ist die Hölle für mich zu einem Ort geworden, den ich auf keinen Fall verpassen will.
In den Kellern liegt die Kunst.